Wir waren noch so unter Salz-Schock, dass wir kurz nach Villa Martin Colcha einen Abzweig verpassten und uns auf einem total schlammigen Weg wiederfanden. Da die Richtung laut GPS noch stimmte, fuhren wir vorsichtig weiter.
Ich legte meine Twin volle Breitseite in den Dreck, da ich nicht gemerkt hatte, dass der Schlamm das Drehen des Vorderrades blockierte. Das Motorrad wieder aufzustellen war eine Herausforderung, denn sie rutschte durch den glitschigen Untergrund immer wieder weg. Irgendwie und irgendwann hatten wir es dann doch geschafft und waren ganz schön außer Puste.
Der Untergrund wurde immer schwerer zu befahren, da der Matsch wie zäher Kaugummi an den Bikes kleben blieb. Wir kamen nur Zentimeterweise voran, da wir alle 3 Meter stehen bleiben mussten, um mit Reifenhebern die Lauffreiheit der Raeder wieder gewährleisten zu können. Konni und ich legten immer im Wechsel die Motorräder auf die Seite. Ich war irgendwann so auf mich konzentriert, dass ich nicht mehr sah was Konni machte – bis ich ihn schreien hörte.
Ich hob den Kopf und sah, dass er sich in einer sehr unbequemen Lage befand und sich die Lunge aus dem Hals schrie. Ich befürchtete das Schlimmste! “Nicht die Schulter, lass es nicht die Schulter und auch nicht irgend etwas anderes sein”! Ich legte mein Motorrad ab und rannte so schnell, wie es auf einer Höhe von 3845 m in Motorradstiefeln und 10 cm Kaugummimatsch unter den Sohlen ging, zu ihm. Sein Knöchel war direkt unter der Kofferkante eingeklemmt.
Ich befreite ihn aus dieser misslichen Lage. Danach saßen wir wie die Ferkelchen im Dreck – total erschöpft, demoralisiert und hoffnungslos.
Irgendwie kämpften wir uns bis zu einer Wegkreuzung vor. Hier stellten wir die Bikes ab und packten den Kocher aus. Wir hatten die Schnauze gestrichen voll!
Während wir über unseren Raviolis hockten, wägten wir Möglichkeiten ab. Wir waren echt ratlos. Jetzt kämpften wir uns hier schon 3 Stunden wie die Wilden ab und hatten nicht mal 2 km geschafft. Wir überlegten sogar hier mitten im Sumpf das Zelt aufzuschlagen und den nächsten Tag abzuwarten, doch die Befürchtung auf neue Regenfälle überredeten uns für andere Möglichkeiten.
Direkt geradeaus weiter durch diesen Dreck oder – rechts oder links auf diese Wasserrinnen abbiegen?
Wir bogen letztendlich rechts ab und schlitterten wie auf Glatteis durch tiefe mit Regenwasser gefüllte Fahrrinnen. Immerhin blockierten hier die Räder nicht mehr und wir kamen wenigsten etwas voran – auch wenn die Richtung überhaupt nicht mehr stimmte. Das war uns aber egal – Hauptsache raus hier!
Nach einer guten weiteren Stunde trafen wir auf eine trockene Schotterpiste, die auch wieder in die richtige Richtung ging.
Wir waren heilfroh und holperten total erleichtert weiter. Lieber von Wellblech durchgerüttelt, als im Matsch versunken!
Am späten Nachmittag erreichten wir Julaca , um festzustellen, dass es hier unmöglich war Sprit zu bekommen. Dieser Ort war wie ausgestorben! Also fuhren wir weitere 30 km in Richtung Rio Grande. Hier fragten wir uns durch und erhielten von einem Privatmann 30 l Benzin. Der bolivianische Wucherpreis war uns heute auch noch total egal. An einem kleinen Lebensmittelladen deckten wir uns mit reichlich Wasser und Futter ein und steuerten direkt hinter eine Mauer. Wir waren so kaputt, dass wir keinen Meter mehr weiter fahren wollten – wir hätten es auch nicht gekonnt. Da machte uns der umherliegende Müll auch nichts mehr aus. Wir stellten einfach das Zelt auf. Während dem essen schauten wir traurig unsere Bikes an. Sie sahen furchterregend aus!
Total versalzen und verschlammt. Sie waren innerhalb eines Tages um mindestens 3 Jahre gealtert – wir auch.
Körperlich total erschöpft fielen wir erstmal in tiefen Schlaf, bis uns nachts ein Lama besuchte, um im umherliegenden Müll nach was essbaren zu suchen.
Den nächsten Vormittag verbrachten wir damit um Alles einigermaßen wieder herzustellen. Während ich die Packsäcke mit Mineralwasser vom Salz befreite ging Konni Klinken putzen. Es war echt schwer irgendwo einen Wasserschlauch aufzutreiben. Im örtlichen Salzwerk wurde er dann fündig. Ein Arbeiter bot ihm die Möglichkeit an die Motorräder vom gröbsten Dreck zu befreien, was der Chef irgendwann gar nicht mehr lustig fand. Der arme Arbeiter bekam wegen seiner Hilfsbereitschaft mächtig Ärger.
Aber unsere treuen Gefährte waren wieder ansehnlich und wurden liebevoll von uns geschmiert und geölt sowie mit ganz viel WD-40 verwöhnt.
Am Nachmittag konnten wir Rio Grande verlassen. Wir fuhren noch einige Kilometer in Richtung Süden und durften uns schon mal mit den ersten tiefen Sandpassagen anfreunden. Mitten im Nirgendwo schlugen wir unser Zelt auf, um am nächsten Tag neu motiviert weiterzufahren.
Die Motivation hielt nicht sehr lange an, denn das grobe Waschbrett und der extrem tiefe Sand kosteten einfach nur Kraft und machten keinen Spaß. Wir wuchteten uns bis Villa Alota durch und beschlossen am Abend nach mehreren Befragungen von Jeep-Touren ab hier von unseren geplanten Tour abzuweichen.
Am nächsten Morgen nahmen wir den selben Kurs wie die “Touristen-Schieber”. Wir entschieden uns aus folgenden Gründen dafür: Wenn irgend etwas schief gehen sollte, dann findet man uns; wir können bei Spritmangel von den Jeeps abzapfen und wir hofften auf breite Pisten.
Es ging zuerst gute 60 Kilometer über eine genial platt gewalzte Piste Richtung Westen, um dann den Kurs an der chilenischen Grenze in Richtung Süden einzuschlagen. Ab hier wurde es wieder harte körperliche Arbeit. Wir kämpften uns dann noch 65 km durch das grob von Jeeps verspurte sandige Gelände und mussten dann gute 40 km vor der Laguna Colorada im Windschutz bizarrer Felsen und in einer Höhe von 4601 m unser Zelt aufschlagen. Unter neugierigen Blicken eines kleinen possierlichen hasenähnlichen Tierchens kochten wir weitere Konservendosen.
Am nächsten Morgen kam ich ganze 2 km weit, bevor ich mich mit dem Motorrad hinlegte. Das fing ja gut an!
Doch es war auch nicht Konnis Tag, denn er verbuddelte verdächtig oft seine BMW im Sand. Für 38 km benötigten wir 4,5 Stunden.
An der Laguna Colorada weigerte sich Konni auch nur einen Meter weiterzufahren und so bezogen wir das hiesige Hotel – unser Zelt wäre wesentlich sauberer und gemütlicher gewesen, aber was soll´s. Am Nachmittag wanderten wir etwas um die Lagune herum und erfreuten uns an der roten Farbe und dem tollen Ausblick.
Vom Hostalbesitzer bekamen wir noch 25 Liter Benzin zu absolut überhöhten Preisen mit auf den Weg.
Uns wurde gesagt, dass die Straßen besser werden würden. 15 km nach der Laguna Colorada wurden die Straßen dann auch schlagartig besser! Wir kamen wesentlich schneller voran und hatten auch wieder Spaß am Motorradfahren. Um halb zehn erreichten wir bereits die Zollstation, wobei wir uns auf einer Höhe von 5044 m wieder fanden. Zügig wurden die Stempel in unsere Carnets gedrückt und wir konnten bereits nach 10 min weiter fahren.
An den Termas de Chalviri machten wir eine ausgedehnte Mittagspause. Konni bekam auch mal wieder was zum Futtern – er glaubte ständig irgendwie verhungern zu müssen. Nach einem Sandwich hüpften wir dann in den Hot Pott und paddelten vergnügt im warmen Wasser mit wunderbaren Blick auf Vulkane. Die Gefahr eines Sonnenbrandes, der übrigens trotzdem nicht ausblieb, ließ uns nach 30 min wieder in die Motorradklamotten schlüpfen.
Nun steuerten wir auf die Laguna Verde zu, welche wir auch gegen 16 Uhr nach weiteren gemeinen, tiefen und kräftezehrenden Sandpassagen erreichten.
Im Windschatten eines alten Gemäuers bauten wir erneut unser mobiles Domizil auf und ergötzten uns an den letzten Konserven.
Dies war unsere letzte Nacht in Bolivien.
Als Resümee kann ich nur folgendes ziehen:
Bolivien ist landschaftlich eine echte Augenweide, doch dieses Land mit dem Motorrad zu bereisen bedeutet:
KAMPF!
Kampf mit den Straßen – Kampf mit dem starken Wind, welcher ab der Mittagszeit immer stärker wurde – Kampf mit der Höhe (meine Twin musste ganz schön Schnaufen) – Kampf mit sich selbst.
Ich bin stolz darauf diese schweren Passagen irgendwie gemeistert zu haben, doch Spaß hatte ich keinen!
Im Nachhinein würde ich mir einen Fahrer mieten, der alles Gepäck ins Auto verfrachtet und hinterher fährt – denn mit einem leichten Motorrad hätte ich bestimmt Spaß gehabt!
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