Die Fahrt von San Pedro de Atacama nach Antofagasta war total langweilig. Die Straße ging Kerzengeradeaus und seitlich vom Asphalt war nur karges sandiges Gebiet zu sehen.
Die einzige farbige Abwechslung boten die unzähligen grünen Wegweiser der Minengesellschaften.
Als Antofagasta in unser Blickfeld kam, war das schon fast wie eine Fata Morgana und eine richtige Wohltat in unseren Augen.
Beim 3. Anlauf hatten wir dann auch endlich eine Unterkunft gefunden wo auch die Motorräder gut verstaut waren.
Wir packten ab, zogen luftige Sommerklamotten an und tigerten zur Stadterkundung los. So groß kam mir die zweitgrößte Stadt Chiles gar nicht vor. Ich fand sie recht übersichtlich und so fiel uns die Orientierung auch nicht schwer.
Die Nacht war alles andere als erholsam, denn im Hostal befand sich gleichzeitig eine Discothek, deren Musik bis morgens um vier durch die Gänge wummerte. Doch das war halb so schlimm. Viel schlimmer waren die Holzschuhe, der Hotelbesitzerin, die ständig wie eine angestochenene Hummel durch den Flur trampelte. Nach einer saftigen deutschen Beschwerde hörte wenigstens das Getrampel auf. Die Musik konnte man gut mit Ohrstöpseln dämpfen.
Gerädert verließen wir die Stadt. Die Straßen waren genauso langweilig wie am Vortag.
Ca. 170km südlich von Antofagasta wunderte ich mich darüber, dass die Straße anfing starke Bodenwellen aufzuweisen. ein Blick in den Rückspiegel zeigte sich, dass Konni Schlangenlinien fuhr. Er suchte wohl auch nach einer weniger holprigen Spur. Die Fahrt wurde immer unruhiger. Nach einiger Zeit blickte ich wieder in den Spiegel und staunte darüber, dass Konni so ruhig fahren konnte. Das kam mir dann doch etwas spanisch vor und ich hielt an.
Dann erst erkannte ich das Dilemma. Mein Vorderreifen war platt.
Wir bockten die Twin auf den Hauptständer, packten das Werkzeug aus und wollten den Schlauch flicken.
Da gab es aber nichts mehr zum Flicken, denn der Schlauch war kochend heiß und zudem an zwei Stellen geschmolzen. Konni verdrehte die Augen, dass nur noch das Weiße zu sehen war und montierte den Reifen komplett von der Felge, um das volle Ausmaß erkennen zu können.
Die kurze Zusammenfassung lautet:
Schlauch geschmolzen, Felgenband gerissen, geschmolzenes Gummi klebte im Reifeninneren
Gut gemacht Blondie!
Ich versuchte mich damit herauszureden, dass ich ja vorher noch nie einen Plattfuß hatte und somit auch nicht wissen konnte wie sich das anfühlt. Außerdem sei Konni ja auch Schlangenlinien gefahren.
Konni´s Antwort:
“Die Straße ist topfeben und wenn ich aus Langeweile am GPS spiele, dann fahre ich halt ab und an Schlangenlinien. Und wenn einer deiner Patienten sich vor Schmerz auf der Behandlungsbank wälzt, dann fragst Du doch auch ob alles in Ordnung ist und machst nicht einfach weiter, oder?
Ich schämte mich in Grund und Boden, dachte aber gleichzeitig auch dabei: Wenn der wüsste was meine Patienten alles aushalten müssen, dann würde er nicht so daher reden….ich brummelte ein leises “Entschuldigung”.
Wir entfernten so gut es ging die geschmolzenen Gummireste aus dem Mantel und machten sie mit Sandstaub weniger klebrig, fixierten das gerissene Felgenband mit Panzertape und legten einen neuen Schlauch ein. Währenddessen sparte Konni nicht mit Belehrungen was hätte alles passieren können – alter Klugscheißer!
Kaum war der Reifen montiert, stellten wir fest, dass er die Luft nicht hielt. Also Montiereisen wieder ausgepackt und Ursachenforschung betrieben. Wir entdeckten ein kleines Loch, welches wohl beim Montieren entstanden war. Fachmännisch flickten wir es, um dann das Rad wieder an seinem Bestimmungsort zu fixieren.
Wir machten noch kurz Beweisfotos des geschmolzenen Schlauches und hinterließen ihn in der Atacama-Wüste. Peinlich ist noch, dass ich keine 24 Stunden vorher gelästert habe, dass am Straßenrand alle 300m ein zerfetzter LKW-Reifen liegt. Nun gibt es auch eine kleines Andenken von mir. Ich werde nie wieder lästern!
Es war ungemein beruhigend, dass sehr viele LKW-Fahren anhielten und uns helfen wollten. Wenigstens wären wir in der Wüste nicht verdurstet oder verhungert.
Nach unserem 2-stündigen Wüstenboxenstopp konnten wir die Fahrt fortsetzen, aber erst nachdem ich versprochen hatte sofort anzuhalten wenn die Twin, klappert, quietscht, holpert oder sonstige ungewohnte Anstalten macht. Ich schwor den “Wüsten – Eid” und fuhr los. 20 m später hielt ich an. “Da schleift was.” Die Bremsscheibe hatte durch die Montage auf dem Asphalt einen kleinen Grad, welchen Konni einfach mal flach bremste. Ich hatte mein Versprechen gehalten!
Im Nationalpark Pan de Azucar fanden wir einen Mega genialen Campingplatz! Hier konnte man direkt am Strand unter einem Strohpavillion mit integriertem Grillplatz und Sitzbank sein Zelt aufschlagen. Da ließen wir uns nicht 2x bitten.
In den Felsspalten beobachteten wir sämtliches Kleingetier und hatten Spaß an den vor dem Wasser flüchtenden Möwen. Im Sonnenuntergang ließen wir uns unsere chinesische instant Curry-Suppe schmecken. Wenig später fand ich mich im Reich der Träume wieder.
Das Packen ging inzwischen fast automatisch und bis kurz vor Vallenar war auch alles in Ordnung, doch 40 km vor dem kleinen Städtchen mussten wir dann Konni´s Vorderreifen verarzten.
Vom Vortag geschult, ging alles recht schnell, nur dass uns der Flicken direkt nach dem Aufpumpen wieder um die Ohren flog und der Riss im Schlauch sich deutlichst vergrößert hatte.
Also zogen wir auch hier einen neuen Schlauch ein und ließen den Gerissenen in Vallenar fachmännisch vulkanisieren. Bei der Reifenaktion an der BMW stellten wir auch fest, dass die Distanzhülse mehrere kleine Risse aufwies.
Daher beschlossen wir weiter bis nach la Serena zu fahren, denn dort, so sagte man uns, solle es einen Motorradhändler geben.
Um 18 Uhr checkten wir in dem urgemütlichen Hostal El Punto ein, wo wir auch gleich in unserer Muttersprache empfangen wurden. Nach einer heißen Dusche, bestellten wir uns gleich die doppelte Portion der hausgemachten Hamburger und verspeisten diese im Sonnenschein auf unserem kleinen Balkon.
In dieser Nacht schlief ich 11 Stunden durch. Das war schön!
Leider hatte dieses Hostal keine weitere Nacht für uns Platz und so räumten wir unser Zimmer.
Bevor wir unseren Weg fortsetzten steuerten wir eine Motorradwerkstatt an, um einen neuen Reserveschlauch und Kettenspray zu organisieren. Dabei stolperten wir auch gleich über sehr brauchbare Reifen und kauften die gleich noch dazu. Ganze 3 Std verbrachten wir in diesem Laden und hatten mit den Mechanikern jede Menge Spaß, die auch gleich noch Konni eine Ersatz-Distanzhülse bastelten.
Nun war es schon viel zu spät um weiterzfahren. Ein Mitarbeiter der Werkstatt betrieb ein Hostal, in das wir höchst persönlich begleitet wurden. Hier nisteten wir uns ein und bummelten durch das lebendige Städtchen.
Abends bekam Konni dann auch endlich mal seinen lang ersehnten Fisch. Im Hostal schmiedeten wir dann noch den Fahrplan für den nächsten Tag. Nun konnten wir doch direkt den Pass nach Argentinien fahren, denn schließlich hatten wir jetzt wieder genügend Gummi als Reserve.
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